Das Lernen lernen mithilfe psychologischer Ansätze

Am Anfang der Grundschulzeit sind Eltern besonders motiviert, ihre Kinder bei den Hausaufgaben und dem Lernen zu unterstützen – denn es geht ums Lesen- und Schreibenlernen, ums Zählen, ums Rechnen. Wann sollte das Lernen jemals wichtiger werden, als bei diesen elementaren Dingen? Aber was, wenn schon hier die ersten Motivationsversuche scheitern und die Inhalte einfach nicht im Kopf des gefrusteten Sprösslings hängenbleiben wollen?

Als allererstes: Keine Panik!

Erste Misserfolge gerade in der Anfangszeit der Schule sind völlig normal. Der Gedanke „Am Anfang ist der Stoff doch noch ganz einfach“ ist ein Trugschluss: Nie zuvor haben die i-Männchen unter dem Druck gestanden, etwas innerhalb einer bestimmten Zeitspanne verstehen zu müssen. Dieser Umstand kann den ABC-Schützen das Lernen ungemein erschweren. Wenn auch Mamas und Papas kreative Lernmethoden keine Früchte tragen, bricht schnell Panik aus. Dabei bedarf es oftmals nicht mehr, als die Lernmethoden an die persönlichen Bedürfnisse des Kindes anzupassen.

Eine der bekanntesten Methoden aus der Lernpsychologie ist das Modell der Lernstile nach David Kolb aus dem Jahr 1985. Dieses basiert auf der Erkenntnis, dass Menschen auf unterschiedliche Weisen am besten lernen: Die einen informieren sich in einem Buch, andere lassen sich das Thema von einer erfahrenen Person erklären, wieder andere verstehen komplexe Zusammenhänge am besten mithilfe eines YouTube-Tutorials. Die optimale Methode gibt es nicht, wohl aber verschiedene Vorlieben. Jeder hat einen eigenen Stil, der sich für ihn persönlich als effektiv erweist.

Das Modell der Lernstile: Lernen als vierstufiger Prozess

Kolb versteht das Lernen als niemals endenden Prozess. Dieser Lernzyklus umfasst vier Phasen: In der ersten Phase trifft der Lernende auf die Inhalte (Erfahrung). Für einen Grundschüler wäre diese Phase beispielsweise der Unterricht in der Schule. In Phase zwei erfolgt die Auseinandersetzung mit den Inhalten, das Nachdenken darüber (Beobachtung), zum Beispiel bei den Hausaufgaben. In der dritten Phase kommt der Lernende zu einer Schlussfolgerung (Erklärungsfindung), indem er zum Beispiel einen Lernzettel entwickelt, auf dem er das zu Lernende in seinen Worten festhält. Das könnte ein selbstgezeichnetes Modell sein oder ein mit verschiedenen Farben markierter Verlauf. Auch der Transfer einer Theorie in die Praxis (z. B. das Erlernen von Bruchzahlen mithilfe einer in Stücke geteilten Pizza) kann zur Erklärungsfindung verhelfen. In der vierten Lernphase testet der Schüler seine Erkenntnisse auf Tauglichkeit und Richtigkeit (Experiment). Ein Beispiel hierfür wäre das Ausdenken eigener Matheaufgaben und der Versuch sie zu lösen.

Unterschiede im Lernverhalten sieht Kolb darin, in welchen Phasen des Lernprozesses eine Person am effektivsten lernt. Konkret bedeutet das: Manche Menschen verinnerlichen neue Themen am ehesten in der Phase der Erfahrung, in der sie auf die Inhalte treffen. Andere bevorzugen die Beobachtung, die zweite Phase. Für alle Präferenzen hat Kolb – zugegeben, sehr abstrakte – Namen gefunden und eine Typologie aufgestellt:

1. Divergierer

… lernen am besten durch konkrete Erfahrung (Phase 1) und genaues Beobachten der Inhalte (Phase2). Wenn Anna sich im Kunstunterricht Wissen über Dreidimensionalität durch Herumprobieren und Experimentieren mit Papier und Bleistift (Phase 4) erarbeiten soll, ist sie verloren. Jedoch versteht sie die Regeln der Dreidimensionalität in der Erfahrungsphase, also durch die Erklärung des Lehrers oder durch einen kurzen Erklärungsfilm, sofort! Das Selbstlernen daheim mit ihrem Lehrbuch bereitet ihr keine Probleme. Annas Stärken liegen in ihrer Vorstellungskraft. Divergierer haben häufig eine Neigung zum Künstlerischen und arbeiten am besten in Gruppen.

2. Assimilierer

… lernen am effektivsten durch genaues Beobachten (Phase 2) und Begriffserklärungen (Phase 3). Lisa ist beispielsweise im Matheunterricht stets unaufmerksam, denn die konkrete Erfahrung des Lehrstoffes im Frontalunterricht hilft ihr nicht weiter. Sie setzt sich lieber alleine zu Hause mit ihrem Mathebuch hin und denkt über die Formeln nach: Sie lernt am besten in der Phase der Beobachtung(Phase 2) und gelangt dadurch zu einer Erklärung der mathematischen Formel (Phase 3). Theoretische und analytische Modelle sind ihr Ding, ebenso das geschriebene Wort.

3. Konvergierer

… bevorzugen die Phasen der Begriffsbildung (Phase 3) und des Experiments (Phase 4). Jonas zum Beispiel versteht Chemie weder im Unterricht noch beim Selbstlernen mit seinem Lehrbuch. Stattdessen helfen ihm das Hin-und-her-probieren und der Austausch mit seinem Klassenkameraden (Phase 3 und 4) am ehesten weiter. Umsetzungen in die Praxis, sowie die Ausführung und Durchführung von Ideen unterstützen seinen Lernprozess besonders. Konvergierer arbeiten am besten praktisch, strukturiert und experimentell – gerne auch mal in Einzelarbeit.